Zahnlos
Titelbild: Maarten Korving auf flickr.com
Die FIFA verhängt gegen den FC Barcelona eine Transfersperre. Das Wann und Wo scheint der spanische Verein dabei selbst zu entscheiden. Nachdem der Club Berufung einlegte, ist das Urteil erstmal über den Haufen geworfen.
Anfang April ging ein Rauschen durch den Blätterwald. Der FC Barcelona wurde von der FIFA-Disziplinarkomission mit einem Transferverbot bestraft, weil sich herausgestellt hatte, dass der katalanische Verein von 2009 bis 2013 in zehn Fällen bei Transfers mit Minderjährigen, also Spielern unter 18 Jahren, gegen das FIFA-Reglement verstoßen habe. Daraufhin wurden für die beiden nächsten Transferperioden von der FIFA ein nationales sowie internationales Transferverbot und eine Geldstrafe in Höhe von 450.000 Franken gegen den spanischen Meister ausgesprochen.
Nun hat der FC Barcelona offiziell Einspruch erhoben und damit eine „aufschiebende Wirkung“ erreicht. Und das führt dazu, dass einer ausgiebigen Shoppingtour im Sommer nichts mehr im Wege steht. Barcelona darf einkaufen. Neben Marc-André ter Stegen auch jeden anderen für würdig erachteten Fußballspieler. Also Pustekuchen mit der Transfersperre. Die angekündigten Sanktionen gegen den katalanischen Verein sind schneller verraucht als ein Kilo Dope in Amsterdam.
Das könnte auch eine Erklärung dafür liefern, warum beim renommierten spanischen Verein alle so ruhig geblieben sind. Von betonter Gelassenheit war die Rede. Und insgesamt 90 Tagen Zeit, eine Position darzulegen und in Berufung zu gehen. Geht man von einer normalen Reaktion nach solch einem Urteil aus, hätte der Aufschrei bis in die JVA Landsberg zu hören gewesen sein müssen. Nicht auszudenken, welche Tragweite es hätte, wenn einer der größten Clubs der Welt plötzlich erstmal nicht mehr shoppen gehen darf.
Letztlich ging im Vorstand des spanischen Meisters niemand auf diese Strafe ein. Es wurde gar nicht in Betracht gezogen, dass man sanktioniert wird. Es spricht viel für eine gewisse Selbstgerechtigkeit und Überzeugung, zu wissen, wie man einer solchen Strafe entkommt. „Unsere Schule zur Ausbildung von Nachwuchsfußballern ist weltweit ein Vorbild“, unterstrich zudem ein Vereinssprecher des spanischen Meisters gegenüber der Nachrichtenagentur Efe. Wenn das ein Argument ist, das man anbringen kann, um den Handel mit teilweise 9-Jährigen Spielern aus Schweden (Zico Marecaldi) zu rechtfertigen, dann Prost!
Chelsea vermeidet 2009 eine Strafe mit Hilfe des CAS
Im September 2009 wurde eine solche Strafe schon einmal ausgesprochen. Damals gegen den FC Chelsea. Dem Verein aus London wurde vorgeworfen, den französischen Nachwuchsspieler Gael Kakuta 2007 zum Vertragsbruch gegenüber seinem Verein RC Lens animiert zu haben. RC Lens hatte damals die Abwerbemethoden Chelseas moniert und klagte bei der FIFA, die den Franzosen in erster Instanz Recht gab. Kakuta, der 2009 bereits im Nachwuchsteam der Briten stand, bekam eine viermonatige Sperre und musste zusammen mit seinem neuen Arbeitgeber eine Entschädigung von 780.000 Euro plus eine Trainingsgebühr von 130.000 Euro zahlen.
Der europäische Sportgerichtshof (CAS) jedoch hob das Urteil im Februar 2010 wieder auf. Angeblich war der Vertrag von Kakuta mit RC Lens gar nicht gültig, weshalb es auch unter diesen Voraussetzungen nie einen Vertragsbruch gegeben haben kann. Also wurde dem Vertrag zwischen Kakuta und dem FC Chelsea zugestimmt, die Strafen gegen den Verein sowie den Spieler wurden aufgehoben. Allerdings stimmten die Blues immerhin noch zu, eine Aufwandsentschädigung für die Zeit, die Kakuta in Lens trainiert hatte, zu zahlen. Zudem stellte man von Seiten der Engländer sogar noch eine Kooperation mit Lens für die Zukunft in Aussicht.
„Das Thema ist zu komplex, um es vor dem nächsten Transferfenster abschließend zu klären“
Nun also versucht die FIFA einen anderen Global Player im Fußball in die Schranken zu weisen. Und wird dabei vor allem eines: vorgeführt! Am Nasenring durch die Arena. Die Gelassenheit, mit der die Verantwortlichen des FC Barcelona auf das Urteil reagiert hatten, lässt nur den Schluss zu, dass offenbar jeder wusste, was auf den Verein zukommen wird und wie der weitere Handlungsprozess auszusehen hat, um die drakonische Strafe entsprechend zu umgehen.
Der Verein geht zu einem bestimmten Zeitpunkt in Berufung, diese muss geprüft werden. Und Papier ist geduldig. Und zwar so geduldig, dass der Vorsitzende der FIFA-Berufungskommission Larry Mussenden aufgrund der Komplexität des Falles ausschließt, dies bis vor Beginn der nächsten Transferperiode zu klären. Somit ist ein Termin zur endgültigen Feststellung der Sachverhalte erst nach der nächsten Transferphase möglich.
So ist es also ein leichtes für die Katalanen, auf eine noch eventuell folgende Strafe entsprechend vorher zu reagieren und vorzugreifen und den wirklichen Effekt, den die Strafe hätte haben sollen, entsprechend abzuschwächen. Sollte der Fall eintreten, dass Barcelona nun ab der Winterpause keine Spieler holen darf, greift man eben in der Sommertransferperiode vor, verpflichtet entsprechend mehr Spieler, oder das gewünschte Material einfach nur früher. Durch Leihgeschäfte wird der Kader dann auch nicht zu sehr aufgeplustert und man schaut sich seine eigenen Talente einfach ein Jahr unter Wettbewerbsbedingungen bei einem anderen Verein an, der zudem noch das Gehalt übernimmt.
Der SV Wilhelmshaven liegt mit der FIFA wegen 157.500 Euro seit sieben Jahren im Rechtsstreit
Damit präsentiert sich die FIFA gegenüber einem globalen und fußballerischen Schwergewicht als zahnloser Tiger. Wäre man von Seiten des Weltverbandes gewillt, die Strafe auch wirklich anzuwenden und durchzusetzen, sollte man sich nicht in bürokratischen Spitzfindigkeiten verlieren und eine Ansetzung für die Neuberechnung der Strafe erst nach der Sommertransferperiode legen. Denn entweder hat Barcelona mit seinen Transfers gegen das Reglement verstoßen, oder aber nicht.
Wäre den Angestellten wirklich an einer Bestrafung gelegen, hätte man andere Maßnahmen ergriffen, um klar zu machen, dass solche Geschäfte mit minderjährigen Spielern, wie sie der katalanische Club getätigt hat, nicht in Ordnung sind. So aber zeigt man, dass die großen Vereine weiter vor Beschneidungen gefeit sind und nicht wirklich angegangen werden, während Vereine wie der SV Wilhelmshaven wegen 157.500 € mittlerweile 7 Jahre mit der FIFA im Rechtsstreit liegen und schon zweimal Punkte für eine Saison abgezogen bekommen haben.
Der Regionalligist verpflichtete 2007 den Argentinier Sergio Sagarzazu. Lange nachdem der Spieler Wilhelmshaven verlassen hatte, forderten River Plate und Atlético Excursionistas, Sagarzuzas Ex-Clubs, nachträglich eine Beteiligung an den Kosten für dessen Ausbildung in Höhe von 157.500 € vom norddeutschen Sportverein, die die FIFA nun einfordert. Sogar mit einem Zwangsabstieg wurde dem SV Wilhelmshaven mittlerweile gedroht, sollte dieser nicht endlich den Forderungen nachkommen. In Niedersachsen sieht man sich allerdings im Recht, da eine Ausbildungsentschädigung deutschem Recht zu widersprechen scheint.
Sollte dieser Streit mit Wilhelmshaven, der mittlerweile vor ein ordentliches Gericht gezogen ist, für den Regionalligisten ausgesprochen werden, kann die FIFA Deutschland sogar mit einem Ausschluss aus der WM drohen. Beim großen FC Barcelona wartet man da lieber noch mal etwas ab. Und gibt den Spaniern noch etwas Zeit, sich auf mögliche Strafen entsprechend einzustellen.
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